Praktischer Leitfaden für Verbraucher zur Gründung einer Solawi

Geht der Aufruf nicht vom Produzenten aus, so kann eine Solawi durchaus von einer Gruppe von Verbrauchern ins Leben gerufen werden. Oft wird der erste Schritt zur Solawi-Initiative von einer Konsumenten-Gruppierung getan, die den Wunsch hat, frische und lokal hergestellte Lebensmittel zu kaufen und die regionale Landwirtschaft zu unterstützen, und die an diesem Austausch interessierte Landwirte sucht.

Konkret handelt es sich also bei einer sog. Solawi, um einen Zusammenschluss von Verbrauchern, die mit einem oder mehreren lokalen/regionalen Landwirten kooperieren und diesem/diesen seine/ihre Lebensmittelprodukte abkaufen. Im Gegensatz beispielsweise zur Einkaufsgruppe, verpflichtet sich in der Solawi-Hofgemeinschaft jeder einzelne Verbraucher auf individueller Basis, generell für die Dauer einer Saison, gegenüber dem/den Produzenten, indem er ihm/ihnen die Lebensmittel im voraus bezahlt. Diese Verpflichtung, sprich Vorfinanzierung, garantiert dem Landwirt ein stabiles Jahreseinkommen und erleichtert ihm die Produktionsplanung, da er bedürfnisorientiert wirtschaften kann.

Innerhalb der Solawi-Initiative obliegen Organisation und Verwaltung den Verbrauchern (Mitwirten). Dies beinhaltet u.a. die Suche nach Landwirten und nach Mitgliedern, die Verteilung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie die Führung der Buchhaltung u.v.m. Mit andern Worten: eine Solawi managen ist nicht immer ein leichtes Unterfangen. Jedes Jahr gehen und kommen wiederum neue Mitglieder. Das erfordert eine effiziente und solide Verwaltung. Solawi steht also für eine Wirtschaftsgemeinschaft, in der auf der Grundlage eines eigenen Wirtschaftskreislaufes die Beziehungen zwischen Produzent(en) und Verbrauchern in eigener Regie gesteuert und mitgestaltet werden.

Wird eine Solawi von einem einzigen Landwirt initiiert und geführt, so kümmern sich die Verbraucher um die  Kommunikationsarbeit sowie um sämtliche organisatorischen und administrativen Aufgaben. Der große Vorteil einer von Verbrauchern geführten Solawi-Initiative liegt demnach eindeutig in der Entlastung des Landwirts.

Im vorliegenden Leitfaden werden hauptsächlich Fragen der Rechtsform, der Vertragsnatur und der Verwaltung mit ihren verschiedenen Aufgabenbereichen beleuchtet.

Die Bedingungen einer Solawi-Gründung

Bei einer Solawi-Gründung ist die Wahl der juristischen Form von diversen Faktoren abhängig. Man kann nicht pauschal behaupten, es gäbe nur eine einzige, geeignete Rechtsform. Allerdings sei angemerkt, dass die beiden nachstehenden Rechtsformen – Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht und Kooperative/Genossenschaft – sich ganz gut für von Verbrauchern initiierte Solawis eignen und daher auch die meistgenutzten Rechtsformen sind.

Eine Übersicht der in Luxemburg existierenden Rechtsformen für Gesellschaften und Selbständige finden Sie hier und hier.

Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht (VoG) 

Eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht (VoG) ist ein Zusammenschluss von Personen, die ein gemeinsames Ziel oder Projekt verfolgen. Die VoG darf nicht auf Gewinn ausgerichtet sein, d.h. ihre Aktivitäten dürfen nicht zum alleinigen Erwerbszweck oder Gewinnerwirtschaftung ausgeübt werden.

Innerhalb einer VoG zahlen die Solawi-Mitglieder einen Jahresbeitrag, organisieren eine jährliche Mitgliedervollversammlung, einigen sich auf eine gemeinsame Rechtssatzung, verfassen gegebenenfalls interne Richtlinien, führen eine Buchhaltung u.v.m. Jede interessierte Person kann sich der Solawi anschließen und sie unterstützen. Die Mitgliedschaft in der VoG bedeutet jedoch nicht automatisch dass man als Mitglied auch einen Solawi-Korb erhält. Dazu muss jedes Mitglied sich individuell vertraglich gegenüber einem oder mehreren Landwirten der Solawi-Initiative verpflichten.

Wichtig ist dass die Solawi selbst nicht als Vermittler zwischen Produzent und Verbraucher angesehen wird und auch dass das Geld nicht über die Solawi fließt sondern auf direktem Weg vom Verbraucher zum Landwirt. Die Solawi-Struktur darf nicht in Kontakt mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen kommen und darf auch keinen Verkauf tätigen (d.h. kein Geldwechsel während der Lebensmittelverteilung, kein Wiederverkauf von Produkten usw.). Die Solawi ist lediglich die Verbrauchervereinigung, die ausschließlich die Verbindungen zwischen Verbraucher und Produzent(en) herstellt und unterhält.

Diese Präzision spiegelt sich ebenfalls idealerweise in der Satzung wider.

« Die Solawi hat zum Ziel, die regionale und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern sowie eine Verbindung zwischen regionalen Produzenten und Konsumenten herzustellen. Die Vereinigung interveniert als organisatorischer Ansprechpartner für beide Parteien bei der Verteilung der Lebensmittelprodukte im Rahmen einer uneigennützigen Vereinigungsführung. Sie nimmt nicht Teil am Ankauf oder Verkauf der hergestellten Lebensmittel. » (Quelle : Kit de création d’une AMAP, Alliance Provence).

Auf den Webseiten des « Portail du Bénévolat » und des « CLAE » finden Sie weiterführende Kolumnen zum Thema « Bildung und Führung einer VoG ».

Bitte beachten Sie, dass Ihre Mitgliedschaft in einer Solawi-Gemeinschaft nicht automatisch bedeutet, dass Sie auch einen Solawi-Korb (sprich Lebensmittelprodukte aus Solawi-Herstellung) von/eines Solawi-Landwirten/s erhalten, da der Bezug der vom Landwirt hergestellten Produkte vorab die direkte Unterzeichnung eines eigens dafür vorgesehenen Vertrags zwischen Landwirt und Verbraucher bedingt.

Genossenschaft

Eine Solawi kann als Rechtsform auch die Genossenschaft wählen. Kauft man ein oder mehrere Anteile an einer Genossenschaft so darf man als Anteilsbesitzer an den Vollversammlungen teilhaben und mitbestimmen, bei Entscheidungen seine Stimme abgeben und sich aktiv in der Kooperative einbringen, beispielsweise als gewähltes Vorstandsmitglied. Die Kooperative gehört demzufolge ihren Mitgliedern und wird von Letzteren geführt. Sie erlaubt eine aktive und demokratische Teilnahme der Personen, die gewillt sind, sie durch ihre Teilhabe zu unterstützen, und die als Anteilsbesitzer de facto Mitbesitzer der Solawi oder eines landwirtschaftlichen Betriebes sind.

Der große Vorteil der Genossenschaftsform liegt darin, dass durch den Verkauf von Anteilen ein gewisses Kapital gesammelt werden kann, welches erlaubt, erste notwendige Anschaffungen beim Start zu tätigen (Aufbau von Infrastrukturen, Kauf von Maschinen u.v.m.). Kurzum, die kooperative Form erlaubt die Sicherstellung der nötigen Investitionen.

Mehr Infos über die Gründung einer Kooperative finden Sie hier.

Bedarf eine Solawi unbedingt einer Rechtsform?

Nein. Die Rechtsform ist nicht zwingend notwendig ; kleine Strukturen können eventuell auch ohne auskommen, jedoch : die Gründung einer Solawi unter einer juristischen Form ermöglicht u.a. Folgendes :

  • Zugang zu verschiedenen öffentlichen Dienstleistungen (finanzielle Beihilfen, Geschäftslokale, Plakatwände usw.) ;
  • Festigung des « offiziellen » Erscheinungsbildes der Solawi (d.h. des Transparenz- und Demokratieselbstverständnisses) ;
  • rechtliche Verpflichtung von Schlüsselpersonen (beispielsweise : Geschäftsführer, Schatzmeister, usw.) ;
  • Bankkontoeröffnung im Namen der Solawi um Mitgliedsbeiträge zu erheben und diverse Verwaltungskosten der Solawi begleichen zu können (Telefonrechnungen, Flyer, sonstige Drucksachen, u.v.m.) ;
  • legaler Empfang finanzieller Zuwendungen (Mitgliedsbeiträge, finanzielle Beihilfen, private Spendengelder, usw.) ;
  • Abschluss eines Versicherungsvertrages (der die Risiken der Mitglieder bei Aktivitäten abdeckt).

Die Vorfinanzierung ist ein zentraler Bestandteil der Solawi. Die teilnehmenden Verbraucher kaufen und bezahlen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse im voraus, so dass der Landwirt sich auf seine Arbeit konzentrieren und bedürfnisorientiert wirtschaften kann, unabhängig und befreit von jedweden  Markt- und Preiszwängen.

Um diese Solidarität schriftlich zu konsolidieren unterzeichnet jeder Verbraucher einen « Vertrag » mit dem Produzenten.

Der Vertrag ist der schriftliche Beleg über die Übereinkunft und die gegenseitigen Verpflichtungen von Konsument und Produzent und materialisiert die Solidarität, die die Basis schlechthin der Solawi-Philosophie darstellt.

Wer unterzeichnet mit wem?

Die Vertragsparteien sind einerseits der Produzent/Verkäufer und andererseits der Konsument/Käufer. Jedes Solawi-Mitglied muss einen eigenen Vertrag mit dem/jedem Produzenten abschließen. Die Solawi selbst unterzeichnet keinen Vertrag!

Nehmen wir zur Veranschaulichung das Beispiel einer Solawi die drei verschiedene Körbe anbietet: ein Gemüse-Korb, ein Korb mit Milchprodukten und ein Fleisch-Korb. Will ein Mitglied dieser Solawi beispielsweise den Gemüse-Korb und den Fleisch-Korb erhalten, so muss es 2 Verträge abschließen und unterzeichnen, den ersten mit dem Gemüsehändler und den zweiten mit dem Viehzüchter. Das Solawi-Mitglied verpflichtet sich somit direkt und individuell gegenüber den verschiedenen Produzenten, die die Körbe füllen.

Was genau muss der Vertrag regeln ?

Nachstehend die Punkte, die unbedingt im Vertrag angeführt werden müssen :

  1. Die beiden Vertragsparteien : Verbraucher und Produzent
  2. Die Vertragsdauer
  3. Die Bezeichnung der zu liefernden Produkte (Menge, Verteilungsmodalitäten, Häufigkeit und Verteilungszeiten, Art der Verpackung und der Kennzeichnung, Bio-Produkte oder nicht)
  4. Die Zahlungsmodalitäten
  5. Die Vertragskündigungsmodalitäten
  6. Die Verpflichtungen des Produzenten

Der Produzent verpflichtet sich alles Erforderliche zu tun damit er Qualitätsprodukte gemäß  der im Vertrag festgehaltenen Häufigkeit liefern kann. Je nachdem wie die Solawi organisiert ist, sind auch noch weitere Verpflichtungen im Vertrag aufgeführt: Anwesenheit an den Verteilungsstellen und -tagen, Kommunikation und Austausch mit den Solawi-Mitgliedern über das Leben auf dem Hof und eventuelle Schwierigkeiten, Transparenz in puncto Herstellungsweise u.v.m.

  1. Die Verpflichtungen des Verbrauchers

Der Verbraucher verpflichtet sich die Produkte bereits im Vorfeld zu bezahlen gemäß den Zahlungsmodalitäten und Fälligkeiten, die im Vertrag stehen. Er akzeptiert die Saisonabhängigkeiten sowie eine gewisse Abweichung der Liefermengen falls natürliche Einwirkungen die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigen. Weiterhin verpflichtet er sich seinen Korb zu den angebotenen Lieferzeiten abzuholen und im Falle einer Verhinderung (Krankheit, Reise, usw.) die betroffenen Personen zu benachrichtigen, oder aber eine andere Person zu bitten den Korb für ihn abzuholen. Dabei ist er sich bewusst, dass er im Laufe einer Saison seinen Korb nicht einfach abbestellen kann.

Je nachdem wie die Solawi organisiert ist, sind auch noch weitere Verpflichtungen im Vertrag aufgeführt: Bereitschaftseinsatz an den Verteilungstagen, Anteilnahme am Solawi-Vereinsleben u.v.m. .

  1. Die gegenseitigen Verpflichtungen

Die gegenseitigen Verpflichtungen beruhen auf der Teilung der Erträge sowie der Risiken, die mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sind (klimatische Extremsituationen, Schädlingsbefall u.v.m.) und beinhalten ebenfalls den Austausch über reelle   besorgniserregende Situationen.

Der Vertrag muss den Basis-Prinzipien der solidarischen Landwirtschaft – also Vorfinanzierung und Risikoteilung – Rechnung tragen und sie deutlich widerspiegeln!

  1. Vorfinanzierung

Eine klare Formulierung der Vorfinanzierungsmodalitäten im Vertrag ist unumgänglich. Die Zahlung kann sowohl einmalig für die ganze Saison oder aber auch mehrere Male über die Saison verteilt zu festen Zahlungsfälligkeiten gemäß Vertrag erfolgen (monatlich, zweimal jährlich …). Eine Rückzahlung ist nicht möglich wenn der Verbraucher sich dazu entschließt den Vertrag zu kündigen (eventuelle Fälle von höherer Gewalt müssen deutlich im Vertrag festgeschrieben sein).

  1. Solidarität, Gewinnaufteilung und Risikoteilung

Das Grundprinzip der solidarischen Landwirtschaft ist die Teilung sowohl der Risiken als auch der Erträge der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die von den Einflüssen der Natur (Saisonabhängigkeit, klimatische Verhältnisse) geprägt sind. Die Mitglieder verpflichten sich daher Ertragsabweichungen – die durch klimatische und landwirtschaftliche Extremsituationen hervorgerufen wurden – zu akzeptieren. In diesem Punkt sind die Verträge unterschiedlich und sind mehr oder weniger deutlich, je nach Solawi und je nachdem welche Produktgruppe betroffen ist (Bsp. % Mengenabweichung akzeptiert, Kompensierungsmaßnahmen im Falle eines kompletten Ernteausfalles, Solidaritätsprinzip gilt unter den Solawi-Mitgliedern, u.v.m.).

Vertragsbeispiel hier runterladen!

Damit die Organisation einer Solawi reibungslos abläuft, wird angeraten, die verschiedenen Rollen und Aufgaben aufzuteilen und sie turnusmäßig von Mitglied zu Mitglied weiterzugeben: Buchhaltung, Internet-update, Verteilungsorganigramm, Kommunikation, Animation, Mitgliederanwerbung, u.v.m.

Die Mehrzahl der Solawis haben einen « harten Kern », bestehend aus dynamischen engagierten Mitgliedern, die die gesamte Organisation der Solawi managen, darauf achten dass generell alles gut funktioniert und die sich ständig mit neuen Ideen und Anregungen einbringen. Oft handelt es sich hier   anfangs um die Gründungsmitglieder der Solawi.

Nachstehend werden verschiedene Aufgabenbereiche einer Solawi beschrieben. Idealerweise teilen sich mehrere Mitglieder die anfallenden Aufgaben. Dabei obliegt es natürlich stets der Solawi selbst welche spezifische Organisation sie sich geben will.

Die allgemeine Koordinierung der Solawi
Sprich : Koordinierung zwischen den verschiedenen Verantwortlichen, Organisation der Solawi-Mitgliederversammlungen, ständiger Kontakt zwischen Mitgliedern und Produzenten. Sinn und Zweck dieser Mission ist es für einen reibungslosen Ablauf innerhalb der Solawi zu sorgen.

Die Buchführung
Kontenüberwachung, Abschluss der jährlichen Finanzbilanz, Organisation der verschiedenen Einnahmen, Herstellen der Bankkontakte, ggf. Zahlungsüberwachung der Mitgliederbeiträge falls die Solawi eine VoG ist.

Die Verwaltung der Mitglieder und Anwerbung neuer Mitglieder
Verwaltung der Mitglieder-Dateien und der Wartelisten ; Anwerbung von Mitgliedern ; Infomaterial für neue Mitglieder usw.).

Die Verwaltung der Verträge und die Verbindung zum/zu den Produzenten
Aufstellung der Verträge zwischen Mitgliedern und Produzenten. Dialogführung mit bestehenden Produzenten, Suche nach und Kontaktaufnahme mit potentiellen neuen Landwirten.

Die Organisation der Lebensmittelverteilung
Die Organisation sowie die genaue Planung der Lebensmittelverteilung (Anwesenheit von Produzenten und freiwilligen Helfern, Lieferungen) ; die Organisation ggf. von Events anlässlich verschiedener Verteilungstermine ; Schaffung eines angenehmeren Rahmens am Verteilungsort.

Die Kommunikations- und Vermarktungsarbeit
Aufstellung und Aktualisierung von Verteilerlisten/Mailinglisten für die interne Kommunikation mit den Mitgliedern und Produzenten (Einsatzplanung der freiwilligen Helfer anlässlich der Lebensmittelverteilung, Terminaufstellung, Inhalt der Körbe, Informationen, News oder Brief vom Hof). Aktualisierung der Webseiten, der Facebook-Seite zsw. Organisation von Hofbesichtigungen, von Mitglieder-Treffen (Ausflüge, Filmprojektionen, Feste, « Tag der offenen Tür », usw.). Vorstellung der Solawi anlässlich lokaler Feste und Events um deren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und neue Mitglieder anzuwerben.